Therisanyo: Was kann das westliche Demokratiekonzept von dem botswanischen Partizipationsmodell lernen?

von Katharina Bredigkeit, Carsten Geisler, Sabrina Haase, Sarah Weidensee

Kultur und Tradition können einen großen Einfluss auf politische Regime, insbesondere auf Demokratien, haben. Botswana ist ein gutes Beispiel, wie Demokratie in traditionellen Institutionen und Gebräuchen verwurzelt sein kann. Die Bezeichnung für Demokratie auf der Amtssprache Setswana Puso ya bato ka batho bedeutet Herrschaft des Volkes über das Volk. Dies macht deutlich, dass Partizipation und Konsultation einen großen Stellenwert haben (Hoss 2016: 245).  Zwei wichtige Stichworte in diesem Zusammenhang sind Kgotla und Therisanyo,  die mit der westlichen Idee von deliberativer Demokratie verglichen werden können.

In politischen Äußerungen und Ausführungen der botswanischen Demokratie, lassen sich Leitbilder von Therisanyo erkennen. Diese werden im Folgenden näher auf Anspruch und Durchführung beleuchtet. Eine diskursive Beteiligung und ein Gedankenaustausch zwischen den Entscheidungsträgern und den Konsultierten sind explizit im deliberativen Konsultationskonzept vorgesehen und sollen so einen Dialog statt Monolog fördern. Eine flächendeckend vorhandene und genutzte Kgotla soll konsultative Prozesse möglichst inklusiv gestalten und weitestgehend eine informierte Diskussion ermöglichen. Die Kgotla wird hierbei nicht als politisches Instrument, sondern als neutraler, gemeinwohlorientierter Raum verstanden. Therisanyo hat den Anspruch die Bevölkerung über Meinungsäußerung aufzuklären und die Teilnehmer der Konsultationsprozesse über die Thematik möglichst umfangreich zu informieren und diese für jeden zugänglich und verständlich zu gestalten. Dies geschieht sowohl innerhalb der Kgotla, als auch über Radiosendungen und Informationsveranstaltungen.

Feedback und Partizipation soll bei dem Eingehen auf lokale Bedürfnisse und der Konsensfindung[1] helfen. Des Weiteren sollen Konsultationsergebnisse kollektiver Entscheidungen in Rücksprache und Abstimmung mit sämtlichen Planungsebenen ausgearbeitet werden.

In der Praxis stößt der Beteiligungsgedanke allerdings an seine Grenzen. Häufig wird politisch administrativen Autoritäten die größte Redezeit eingeräumt. Diskussionen werden bewusst in die gewünschte politische Richtung gelenkt, sodass eher von einer ‘Aufklärung’ der bereits getroffenen Entscheidungen gesprochen werden kann (Hoss 2016:256). Da die Konsultationstermine hauptsächlich vormittags an Wochentagen stattfinden, ist es für die arbeitende Bevölkerung teilweise schwierig sich zu beteiligen (Hoss 2016:256). Exklusive Bevölkerungsgruppen werden nur unzureichend über partizipative Ergebnisse informiert und Minderheitsinteressen übergangen. Dennoch verfolgt Therisanyo ein wichtiges Ziel: die Erhaltung kultureller Werte und die Stärkung des sozialen Zusammenhaltes.

Trotz der zu kritisierenden Hierarchisierung und dem nicht voll ausgeschöpften Potenzial zur Kritikausübung, bietet Therisanyo Ideen, von der die westlichen Demokratien sich inspirieren lassen können. Die Gemeinschaft dient als wirkungsmächtiges Instrument, die durch einen Protest Einfluss auf die Politik ausüben kann. Fehlverhalten seitens der politischen Akteure kann zu einem Verlassen der Dorfgemeinschaft führen und somit das Ansehen der Autoritäten schmälern (Vgl. Hoss 2016: 260). Die regelmäßig stattfindende Kgotla bietet Bürgern die Möglichkeit, sich über politische Themen zu informieren. Radiosendungen beantworten Fragen der Bevölkerung und das Angebot an Informationsveranstaltungen ermöglicht Partizipation auf allen Ebenen. Der Wunsch nach Meinungsäußerung und einem unvoreingenommenen Diskurs bilden den Mittelpunkt des botswanischen Deliberationsmodells.

Letztendlich stellt das botswanische Konsultationsmodell in bemerkenswerter Weise dar, dass trotz stetig wachsender globalpolitischer Herausforderungen, an dem traditionellen System aus Therisanyo und Kgotla festgehalten wird und wichtige Erkenntnisse und Inspirationen für die westliche Demokratievorstellungen geboten werden.

Kgotla (plural: Dikgotla) Dorfversammlung, traditionelle Versammlungsinstitution der indigenen Bevölkerung für Therisanyo
Therisanyo Konzept der politischen Konsultation und des Konsenses
Deliberation Zwangloser, vernunftorientierter Austausch von Argumenten und deren Abwägung. Ziele: Verständigung und Konsensfindung zum Allgemeinwohl. Gewährleistung von Inklusion, Gleichberechtigung, Autonomie

[1] Konsens ist im botswanischen Demokratieverständnis die präferierte Form der Beschlussfassung. Abstimmung wird in der Regel abgelehnt. Therisanyo sieht eine Positionierung und nicht nur passives Zuhören seitens der Konsultierten vor.

 

Literatur

Hoss, A. (2016): Therisanyo: Das Verständnis und die Praxis von deliberativer Demokratie in Botswana. In: Schubert, Sophie/Weiß, Alexander (Hrsg.):”Demokratie” jenseits des Westens. Theorien, Diskurse, Einstellungen, Baden-Baden: Nomos, 245-267.

Schaal, Gary S.; Heidenreich, Felix 2006: Deliberative Theorien. In: Einführung in die politischen Theorien der Moderne. Verlag Barbara Budrich, 189-219.

 

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