Demokratie ein universaler Wert. Demokratie ein universaler Wert?

Die Frage um universelle demokratische Werte beschäftigt Wissenschaftler/innen unterschiedlicher Disziplinen schon lange und obgleich die Auseinandersetzungen teils verbissen und heftig ausgetragen werden, scheint man von einer Einigung noch weit entfernt. Um sich einer groben Orientierung auf diesem Feld anzunähern, setzen wir uns in diesem Artikel zuerst mit der Position von Sophia Schubert (2016) auseinander, um diese anschließend anhand anderer Positionen kritisch zu hinterfragen.

Es geht in dem Text von Schubert (2016) um den Demokratiebegriff in der Vergleichenden Demokratieforschung. Dieser sei kritikwürdig, da von einer weltweiten Bedeutungsgleichheit des Begriffs ausgegangen werde. Da politische Konzepte aber kontextgebunden sind und in anderen Kulturen es andere Bedeutungsgehalte gibt, ist ein einheitlicher Demokratiebegriff zu verwerfen. Bereits innerhalb der westlichen Demokratietheorie gibt es eine Vielzahl von Bedeutungen, was in nicht-westlichen Kontexten nicht anders ist.

Die Vergleichende Demokratieforschung basiert der Autorin zufolge auf einer solchen theoretischen Basis. Der Aufgabenbereich dieser Teilwissenschaft ist zum einen die Analyse von Demokratien weltweit beziehungsweise der Demokratisierungsgrad politischer Systeme und zum anderen die Studie politischer Orientierungen der Bevölkerungen verschiedener Länder, also wie verwurzelt der Wert der Demokratie in unterschiedlichen Ländern ist. Grundlegend für beide Bereiche ist ein universalistischer Demokratiebegriff, der Voraussetzung für eine valide Analyse- und Vergleichsmessung ist. Man könne aber nicht davon ausgehen, dass weltweit dieselben Attribute mit dem Begriff Demokratie assoziiert werden, daher seien die Ergebnisse dieser Studien zu bezweifeln.

 

Die Annahme der Vergleichenden Demokratieforschung, dass überall auf der Welt Menschen die gleichen Assoziationen mit dem Begriff Demokratie teilen, ist aus mehreren Gründen nicht tragbar. So sind Analysekonzepte westlichen Ursprungs keinesfalls als normatives Instrument für globale Vergleiche anzusehen, da u. a. westlich liberale Forscher hierbei eine gewisse „Vormachtstellung“ gegenüber deren fremdländischen Untersuchungsobjekten einnehmen. Zusätzlich kommt hinzu, dass nicht-westliche Diskurse und Deutungsversuche zu Demokratie in der Vergleichenden Demokratieforschung keine Berücksichtigung finden. Neben der Kritik an normative Konnotationen, lässt sich bei der Verwendung westlicher Analysekonzepte in außerwestlichen Kontexten auch Kritik auf Seiten der Methodik äußern. Eine besondere methodologische Herausforderung stellt dabei die Bedeutungsäquivalenz dar. Findet im interkulturellen Vergleich keine adäquate Überprüfung von dieser statt, so kann es zu Verzerrungen der Ergebnisse kommen. Auch die Tatsache, dass das präzise politische Wissen der Bürger hinsichtlich des abstrakten Begriffs Demokratie sehr heterogen ist, stellt die Methodik ebenfalls vor eine Herausforderung. Die aufgezeigte Kritik macht deutlich, dass vielmehr eine pluralistische als universalistische Bedeutung von Demokratie vorherrscht bzw. anzunehmen ist. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass Demokratietheorien aufgrund der Interpretation vorgefundener kultureller Merkmale entstehen. Je nach Kultur sowie Art der Interpretation entstehen somit andere Theorien. Bestehende Demokratiekonzepte in der westlichen Denktradition sind demnach (nur) Alternativen in der Bedeutung bzw. Deutung von Merkmalen (Schubert, 2010, S. 287f.).

 

Dalton und Kollegen untersuchten 49 nationale Befragungen in ‚Afrika‘, ‚Asien‘, ‚Osteuropa‘, ‚Lateinamerika‘ und im ‚Westen‘ (vgl. Schubert 2012, S. 179). Drei wesentliche Punkte sind dabei hervorzuheben: zum einen scheint es die grundlegende Präferenz zu geben, Demokratie als eine liberale Konzeption zu betrachten. Die große Mehrheit der Befragten war in der Lage die grundlegenden Prinzipien von Demokratie zu erläutern. Zentrale Bedeutungselemente, die am häufigsten mit Demokratie in Verbindung gebracht wurden, waren Freiheiten und Bürgerrechte, wie Meinungsfreiheit und Partizipationsfreiheit. Weniger häufig wurden prozedural-institutionelle Elemente wie Wahlen oder Volksherrschaft angeführt. Eine klare Minderheit der Befragten definierte Demokratie im Sinne sozialer Vorteile. Der zweite wichtige Punkt ist, dass es neben diesen Gemeinsamkeiten auch Unterschiede im globalen Vergleich gibt. So werden prozedural-institutionelle Aspekte vor allem von afrikanischen Bürgern mit Demokratie assoziiert, soziale Vorteile hingegen werden meist in Lateinamerika, Asien und dann Afrika genannt. Die Befragungen haben gezeigt, dass zusätzlich zu diesen unterschiedlichen Gewichtungen von einzelnen Bedeutungselementen von Demokratie auch hybride Mischungen von verschiedensten Elementen auftreten können. In muslimischen Ländern beispielsweise ist sowohl eine islamische als auch eine säkulare Version von Demokratie denkbar (vgl. Schubert 2016, S. 293).

 

Neben den großen Überschneidungen in der vergleichenden Demokratieforschung stellte die Studie auch Unterschiede fest. Diese Unterschiede gelten als signifikant und wurden in der bisherigen Forschung meist außer Acht gelassen. Dabei sollte man sich von der Bedeutungsäquivalenz verabschieden und mit qualitativen Forschern ebenfalls Items entwickeln, die länderspezifische Unterschiede erfassen können.

Eine Aufspaltung der Definition des Demokratiebegriffes in den einzelnen Ländern könnte zu conspetual stretching führen. Dabei handelt es sich um eine Auflockerung der Definition von Demokratie, um möglichst viele Auslegung unter dem Begriff sammeln zu können. Um dies vermeiden zu können, gibt es diverse Lösungsansätze. Die Leiter der Abstraktion soll die Begriffe in Unterkategorien teilen. Das Model geht auf Giovanni Sartori (1970) zurück und soll zum einen möglichst viel unter dem Demokratiebegriff vereinen und zum anderen die Definition nicht zu weit fassen. Doch auch in diesem Model besteht die Gefahr, dass mit zunehmender Entfernung zur Kerndefinition der Demokratie, die Definition immer unpräziser wird.

Eine Zusammenarbeit mit anderen Forschern aus anderen wissenschaftlichen Bereichen könnten die Einflüssen von Denktraditionen und kulturelle Eigenschaften aus den unterschiedlichen Ländern besser erfassen. Dieses Wissen könnte einer universalen Forschung partikularische Einflüsse hinzufügen und so einen Mittelweg zwischen Universalismus und Relativismus finden.

 

In dem Text von Schubert geht es um eine methodologische Kritik an der Vergleichenden Demokratieforschung, der die eigentliche Frage, ob Demokratie ein universaler Wert ist, nachgestellt werden muss. Larry Diamond (2008) stellt diesbezüglich die grundlegenden Fragen, nämlich ob die gesamte Welt demokratisch werden könne. Ist es möglich freie und demokratische Gesellschaften auf der gesamten Welt zu gründen?

Bezogen auf diese Fragestellungen bezieht sich Diamond auf das World Values Survey, das besagt, dass es eine weltweite mehrheitliche Zustimmung zu Demokratie als Staatsform gibt. Dennoch sagt dies nichts über den eigentlich Demokratisierungsgrad eines Landes aus, der in vielen Fällen im Widerspruch zu den Demokratiepräferenzen liegt. Antworten auf diese Fragen liefert Diamond leider nicht.

Eine mögliche Antwort auf die letzte Frage findet sich jedoch bei Christian Welzel (2007), einer der Forscher des World Values Survey. Ähnlich wie Sophia Schubert bemerkt dieser, dass die Zustimmung zu Demokratie als Staatsform nicht viel aussagt über die Motive, warum man dies tut. Gerade diese Motivation sei bedeutend, denn Demokratie ist eine Errungenschaft, die von den Menschen aktiv erstritten und verteidigt werden müsse, damit sich die ihr zugehörigen Werte festsetzen. Solche emanzipatorischen Werte erklären Welzel zufolge und in Rückgriff auf den World Values Survey 80 % der Unterschiede im Demokratisierungsgrad, wohingegen die demokratischen Systempräferenzen bestenfalls 20-30 % der Unterschiede erklären.

Daraus ist zu folgern, dass demokratische Werte nicht von außen diktiert werden können, damit sie sich im Menschen festsetzen. Zu wünschen ist eine umfassende Demokratisierungsbewegung innerhalb der unterschiedlichen Regionen dieser Welt, wobei hier bewusst offengelassen wird, wie diese Demokratie jeweils konkret aussieht.

 

Literatur

Diamond, Larry (2008): The Spirit of Democracy. The struggle to build free societies     throughout the world. New York. Times Books.

Sartori, Giovanni (1970): Concept Misformation in Comparative Politics. In: The American Political Science Review 64 (4): 1033 – 1053.

Schubert, Sophia (2012): Die globale Konfiguration politischer Kulturen: Eine theoretische        und empirische Analyse. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 173-199.

Schubert, Sophia (2016): Inwiefern universal? Zum Demokratiebegriff in der vergleichenden             Demokratieforschung, in: De La Rosa, Sybille/Schubert, Sophia/Zapf, Holger (Hrsg.):    Transkulturelle Politische Theorie. Eine Einführung. Wiesbaden: Springer VS, 285-          303.

Schaffer, Frederic C. (2014): Thin Descriptions: The Limits of Survey Research on the Meaning of Democracy. In: Polity 46 (3): 303 – 330.

Welzel, Christian (2007): Ist Demokratie und universell übertragbares Konzept? Erkenntnisse    aus der empirischen Sozialforschung. In: Vogel, Bernhard (Hrsg.): Die politische          Meinung. Zeitschrift für Politik, Gesellschaft, Religion und Kultur. Ausgabe 455,   2007.

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